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Samstag, 14. März 2020

Interview Martin / Jaden Quinn C

Und nun zum vorletzten Teil:

Ich beschließe, ihm den Gefallen zu tun, ihn direkt anzusprechen. Vielleicht erlaubt er dann auch Jack einmal selbst zu antworten.
»Haben Sie auch Hobbys?«
Owen nickt. »Nach der Arbeit verbringe ich viel Zeit in meinem Garten. Zwischen all den Zahlen und Texten die mich über den Tag begleiten, fasziniert mich das scheinbar chaotische Zusammenspiel natürlicher Prozesse, hinter dem trotz aller scheinbaren Wahllosigkeit ein logisches System steckt. Jeder Einfluss von außen wirkt sich auf dieses System aus. Alles hat Ursache und Wirkung. Das gefällt mir.«
Obwohl meine nächste Frage ebenso harmlos ist wie die vorherige, schlägt mein Herz ein bisschen schneller. Die Ausstrahlung von Jack und Owen Martin habe ich wirklich unterschätzt.
»Irgendwelche besonderen Talente?«
Wieder ist es Owen, der antwortet.
»Ich bin ehrlich gesagt kein Freund von Talenten. Auf Talenten ruht man sich viel zu schnell aus, weil man sie für selbstverständlich hinnimmt. Keine Frage, jeder Mensch hat welche. Die Medien sagen gern über mich, ich wäre ein talentierter Geschäftsmann. Genaugenommen ist mein Erfolg jedoch kein Talent, sondern die Frucht harter Arbeit. Wenn ich dennoch ein Talent benennen müsste, würde ich sagen, ich bin ein Mensch, der die Befähigung hat, aus dem was er besitzt den größtmöglichen Nutzen zu ziehen.«
Ich nicke verstehend und sehe zu Jack hinüber, doch der hüllt sich in eisernes Schweigen, das ich nicht zu brechen wage. So schlucke ich meine Neugierde runter und belasse es dabei.
Als ich die nächste Frage auf meinen Zettel lese, werde ich unruhig. Na wunderbar. Ich setze mich in aufrechter hin und zwinge mich, sowohl Owen Martin als auch Jack nacheinander in die Augen zu sehen.
»Würden Sie den Lesern die Beziehung zu Ihren Eltern näherbringen? Es wäre vielleicht gut, wenn Jack anfangen könnte«, wage ich todesmutig hervorzubringen, damit Owen sich nicht erneut dazu berufen fühlt, stellvertretend für seinen Sohn zu antworten.
Owen nickt Jack zu, woraufhin dieser zu sprechen beginnt. »Über meine Kindheit habe ich ja schon genug gesagt«, zischt er, wobei er alles andere als zufrieden wirkt. »Meinen Erzeuger kenne ich nicht. Wird wohl irgendein besoffener Kerl auf der Suche nach einem guten Fick gewesen sein.«
»Jack«, mahnt Martin und obwohl er nicht laut spricht, kriecht mir eine Gänsehaut über den Nacken.
Jacks Blick huscht schuldbewusst zu seinem Vater und für einen Moment fürchte ich, dass er für diesen Ausrutscher bezahlen muss.
Doch Martin sagt und tut nichts und Jack spricht weiter. »Der einzige Mann, den ich guten Gewissens Vater nenne, sitzt hier vor ihnen, Miss Barby. Owen hat mir mehr gegeben, als jeder andere und dafür respektiere ich ihn auch mehr als jeden anderen Menschen.«
Owen, der bequem die Beine übereinandergeschlagen hat, lächelt zufrieden in sich hinein. Als er meinen Blick einfängt, sagt er: »Jack ist der Sohn, den ich mir immer gewünscht habe. Alles was ich kann und weiß, versuche ich, an ihn weiterzugeben, so wie mein Vater dieses Wissen an mich weitergab.«
Ich schlucke, denn ich weiß um die perfide ›Ausbildung‹ die Jack ›genießt‹.
»Hat jemand von Ihnen Geschwister?«
Jack schüttelt den Kopf.
Martin schweigt einen Moment, dann nickt er langsam. »Ich hatte eine ältere Schwester. Allerdings geriet sie in Streit mit meinem Vater und verließ die Familie schließlich. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr.«
Die nächste Frage fällt mir leicht, ist sie doch recht unproblematisch. Zumindest hoffe ich das. Was die beiden Männer mir gegenüber angeht, habe ich mich schon häufiger getäuscht.
»Beschreiben Sie doch bitte Ihre Lebenssituation - Wie leben Sie? Wie sieht es dort aus?«
»Ich …« Owen sieht zu Jack, »… wir leben in einem Wohnviertel in New Jersey. Die Gegend entspricht meinen Standards, allerdings zähle ich nicht zu den neureichen Investmentbankern, die glauben sie bräuchten einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach ihrer Villa. Mein Haus ist elegant und praktisch. Überbordender Protz ist mir zuwider. Es muss ästhetisch sein, mehr nicht. Nach diesem Prinzip ist auch mein Haus aufgebaut.«
»Würdet Sie den Lesern erklären, was und wo Sie arbeiten und wie es dazu kam?«
»Ich bin der Geschäftsführer und Gründer des drittgrößten Pharmakonzerns in den Vereinigten Staaten. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich auf diesen Posten hingearbeitet und es hat sich jedes Opfer gelohnt, das ich für meine heutige Stellung bringen musste. Jack hier«, er deutet auf seinen Ziehsohn, »ist trotz seiner relativen Jugend eine große Stütze für mich. Er kümmert sich um meine Sicherheit und natürlich auch die der Firma. Er versteht es, mit jeglicher Bedrohung umzugehen. Das ist eine große Erleichterung für einen Mann meines Formats.«
Vorsichtig linse ich zu Jack hinüber, der wie so oft keine Regung zeigt. Noch immer staune ich über seine sowohl beeindruckende als auch beängstigende Ausstrahlung. Selbst ohne Martins Worte wäre jedem klar, dass Jack ein Mann ist, mit dem man sich besser nicht anlegt.
Zu meinem großen Bedauern ist mein Kaffee leer. Eine Tatsache die mein Gastgeber ignoriert, denn ich bin mir sicher, dass er es bemerkt hat. Vermutlich ist das seine Art zu zeigen, dass er langsam die Geduld an diesem Interview verliert, weshalb ich schnell die nächsten Fragen stelle.
»Wie ist Ihr sozialer Rang. Wie angesehen sind Sie? Bekommen Sie viel Anerkennung?«
»Sozialer Rang? Nun unter normalen Umständen wäre ich ein durchschnittliches Mitglied der Oberschicht. Aufgrund der unzähligen - lächerlichen - Vorwürfe, die Neider und Konkurrenten gesät haben, komme ich jedoch in den Genuss jeder Menge Medienpräsenz. Das Misstrauen gegenüber mir und meinen Tätigkeiten hat durchaus zum Erfolg meiner Firma beigetragen.«
»Wie sieht es mit Freundschaften aus? Wer steht Ihnen beiden nahe?«
Der Blick, den Jack mir zuwirft, lässt mein Lächeln bröckeln wie eine Quarkmaske in der Sonne.
»Wozu sollten Freundschaften gut sein?«
»Zum Austausch, zur gegenseitigen Unterstützung, zu gemeinsamen Unternehmungen?«, wage ich vorzuschlagen.
Owen Martin lacht leise. Überrascht sehe ich ihn an.
»Ich - Wir - halten nichts von derartiger Zeitverschwendung. Die Kontaktpflege zu Geschäftspartnern ist aufwendig genug. Absolute Loyalität gegenüber einer einzelnen Person ist zielgerichteter und bringt somit mehr Nutzen.«
Ich schlucke hart. Die Art wie Martin Loyalität lehrt, ist mir nur allzu bekannt.

Wie ihr merkt ist es ein bisschen länger geworden, deswegen noch eine kurze Pause.

Eure Bea

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