Mittwoch, 21. September 2016

Blogstory - Ein Surfer zum Verlieben 3 (10)


Lindsay löste sich aus der Erinnerung und sah sich noch einmal um. Wie sollte sie in dem Wohnzimmer das Vermächtnis ihres Bruders finden oder richtiger: Die Tasche, in der es sich befand. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Der Umschnall-Dildo brachte sie zum Grinsen. Da würde Pat sich noch etwas von Warden anhören dürfen.
Lindsay erhob sich, als ihr einfiel, dass sich die Tasche in einem der zahlreichen Körbe befand, in die sie die unzähligen Geschenke gepackt hatten. Schnell hatte sie die gefunden und entnahm ihr eine Schachtel mit mehreren DVDs, denn ihr verrückter, lieber und toter Bruder hatte mehr als nur seine Hochzeitsrede auf Video festgehalten.
Lindsay atmete bedächtig ein und aus, ehe sie mit zittrigen Fingern die erste DVD aus der Box nahm und in den DVD-Rekorder schob. Sie ging in die Küche, holte eine Packung Taschentücher aus dem Vorratsschrank und kuschelte sich dann auf dem Sofa zusammen. Mit der Fernbedienung schaltete sie den Rekorder an. Sie hatte sich vorgenommen chronologisch vorzugehen, also wählte sie das erste Kapitel an – wohlwissend, dass es vermutlich das sein würde, welches am schmerzhaftesten war. Ihr stockte der Atem, als Phils Gesicht auf dem Bildschirm erschien.
„Hey, Kleines. Das hier ist bestimmt nicht leicht für dich und glaub mir, es ist auch nicht leicht für mich. Wenn du das hier siehst, dann bin ich nämlich tot.“ Ja, dachte sie und biss sich auf die Unterlippe. Er war tot und das seit zehn Jahren. Sie vermisste ihn noch immer so schrecklich. „Ich mache mir Sorgen darum, wie es euch geht und ich hoffe, dass das hier es etwas besser macht – wenn nicht, dann schalte das Video einfach aus, okay?“ Phil zwang sich zu einem traurigen Lächeln. „Ich will ehrlich sein, Ly, ich habe Schiss! Ich meine, ich habe so richtig, richtig krass Schiss. Ich habe keine Angst vor dem Tod an sich, aber davor, was vorher passiert. Vor den Schmerzen und all dem Mist.“ Zu Recht, dachte sie, denn er hatte schreckliche Schmerzen gehabt. Sie hatten ihm Morphium gegeben, damit sie erträglich wurden, doch er war elendig verreckt und er hatte gewusst, dass es so kommen würde. „Ich habe dich wahnsinnig lieb. Dich und Mum und Dad und Stella und auch Gavin … ich will nicht sterben, Ly, und ich weiß, dass ihr auch nicht wollt, dass es passiert.“ Phil war den Tränen nahe, als er fortfuhr: „Aber es ist unausweichlich. Mir ist klar, dass es nicht mehr lange dauert und manchmal bin ich so wütend darüber, denn ich … Scheiße, ich bin viel zu jung, um zu sterben.“ Ja, er war in der Tat viel zu jung gewesen, dachte Lindsay bitter. Sie schluchzte laut auf und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Die Sache ist die, Ly. Ich habe keine Wahl. Es liegt nicht in meiner Hand, aber du, Kleines, du hast eine Wahl. Ich will, dass du dein Leben genießt und zwar in vollen Zügen. Ich will, dass du daran denkst, wie kurz es sein kann und wie schnell es manchmal zu Ende geht, okay? Ich will, dass du das Beste aus deinem Leben machst und egal, was nach dem Tod passiert: Ich liebe dich, Ly.“
Lindsay wischte sich die Tränen von der Wange und schaltete den Rekorder aus. Sie spürte Wardens Hand auf ihrer Schulter. „Hey!“, meinte er mitfühlend und kraulte ihren Nacken sanft, ehe er sich über die Lehne beugte und Lindsay von hinten umarmte.
„Hey, ich dachte du schläfst“, schniefte sie.
„Ich schlafe nicht gut, wenn du nicht da bist, und ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
Seit man versucht hatte, Lindsay zu töten, fiel es Warden noch schwerer, loszulassen. Lindsay drehte sich zu ihm herum, legte eine Hand an seine Wange und küsste ihn. „Brauchst du nicht. Mir geht es gut. Es ist nur … diese Videos. Ich … Gott, das ist so überwältigend ihn zu sehen. Von ihm zu hören und diese Nachrichten aus dem Jenseits zu bekommen. Ich kann es irgendwie noch gar nicht glauben, dass sie wirklich da sind.“
Warden löste sich von ihr, kam um das Sofa herum, setzte sich neben Lindsay und zog sie in seine Arme. Er küsste ihre Stirn und Lindsay kuschelte sich seufzend in seine Arme. „Aber es ist real, weißt du?“ Der Surfer verstummte und suchte nach den richtigen Worten. „Phils Botschaft hat ihren Weg zu dir gefunden. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber sie ist letztendlich angekommen.“
„Ja, Dank Gavin.“
„Ja, Dank ihm.“
„Er war der einzige, der von den Videos wusste, und als er dich danach gefragt hat, da …“
„Ja, dein Vater hat es mir erzählt. Ich schätze, wir schulden Gavin was.“
„Er hat mir einen Kuss gestohlen. Von daher denke ich, dass wir quitt sind“, wisperte Lindsay und Warden sah sie lächelnd an.
„Es ist nicht so, dass ich ihn nicht mag, es ist nur so, dass …“
„… du ihm am liebsten die Eingeweide rausreißen und ihn bei lebendigem Leib häuten würdest?“
Warden lachte belustigt auf. „Ja“, brummte er zustimmend. „Fuck, er hat dich geküsst verdammt. Allein, wenn ich daran denke, möchte ich Fischfutter aus dem Typ machen. Gott, Lindsay, ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren.“
Die Bestsellerautorin schmunzelte. „Wirst du nicht. Was hältst du davon, wenn wir noch ein paar Geschenke öffnen?“
„Ja, bei den Unmengen sind wir vermutlich noch in einem halben Jahr damit beschäftigt.“ Warden stand auf und reichte Lindsay seine Hand. Schwungvoll zog er sie auf die Beine, sodass sie gegen ihn taumelte und in seinen Armen landete.
„Netter Versuch. Den Trick muss ich mir merken“, murmelte Lindsay an seinen Lippen, ehe sie ihn zärtlich küsste.
„Weißt du was? Lass uns doch einfach ins Bett gehen und das tun, was frisch verheiratete Paare den ganzen Tag und die ganze Nacht lang so machen“, schlug Warden unschuldig vor, doch Lindsay fiel nicht auf seine Masche herein. An Warden Palmer, ihrem heiß geliebten Ehemann, war rein gar nichts unschuldig. Er hatte es faustdick hinter den Ohren und der gewisse Ausdruck in seinen Augen sprach Bände.
„Du bist unersättlich!“, rügte sie ihn.
„Sagt die Frau, die bereits mit Scheidung gedroht hat, wenn ich meinen ehelichen Pflichten nicht nachkomme.“
„Habe ich dich eingeschüchtert?“
„Ich will dich nur zufriedenstellen, Sonnenschein, das ist alles.“ Er senkte seine Lippen auf ihren Hals, saugte und knabberte daran und brachte sie alleine dadurch schier um den Verstand.
„Du bist zu gut zu mir“, seufzte Lindsay, ließ sich von ihm hochheben und ins Bett tragen.

Alle Rechte liegen bei Violet Truelove

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