„Ich bin so verdammt aufgeregt!“, keuchte Lindsay. „Mir ist schlecht und heiß und … Gott, was, wenn er 'Nein!' sagt?“ Alex begann zu kichern und Hope stimmte mit ein. Auch Clara schmunzelte. „Ihr seid doof“, warf Lindsay ihnen vor.
„Du brauchst eine Ablenkung. Komm wir haben noch eine halbe Stunde. Lass uns den Film anschauen, okay?“, schlug Rachel vor.
„Aber das ist ein Nicholas Sparks Film. Ich werde unweigerlich heulen und dann werde ich entsetzlich aussehen und dann MUSS Warden 'Nein!' sagen.“
„Du bist der weltgrößte Nicholas Sparks Fan. Du kennst all seine Bücher und alle Filme auswendig. Du wirst bestimmt nicht heulen.“
„Sie heult immer, wenn sie seine Filme sieht“, kam es wenig hilfreich von Alex.
„Siehst du“, sagte Lindsay zu Rachel. Just in diesem Moment bekam sie eine SMS. „Es ist eine Nachricht von Warden“, sagte sie tonlos.
„Und? Was schreibt er?“, wollte Hope wissen.
„Vermutlich will er die Hochzeit absagen und ich werde als alte, jungfräuliche Katzenlady sterben“, jammerte Lindsay vor sich hin.
„Du hattest echt zu viel Sekt, denn entschuldige mal, aber jungfräulich bist du bestimmt nicht“, murrte Alex.
„Nein, nicht nach allem, was heute Morgen mit Warden unter der Dusche lief“, kam es von Hope.
„Woher …“, begann Lindsay, doch dann dämmerte es ihr. „… ach, vergiss es. Diese Kerle sind schlimmer als Waschweiber. Ich wette Warden hat es Aiden erzählt und der hat dich informiert“, schnaubte Lindsay abfällig.
„Nein, wir haben euch gehört“, entgegnete Hope gutgelaunt.
„Bringt es nicht Unglück, seinen Bräutigam am Tag der Hochzeit zu sehen, also vor der Trauung, meine ich?“, fragte Clara.
„Das dürfte erklären, warum Lindsay so verdammt nervös ist. Man nennt es schlechtes Gewissen“, spottete Alex, woraufhin die zukünftige Braut erklärte: „Ich bin nicht abergläubisch.“
„Nicht? Dann los, schau dir seine Nachricht an!“
Lindsay warf Alex einen vorwurfsvollen Blick zu und jammerte: „Und wenn es doch Unglück bringt?“
Das amüsierte Kichern ihrer Freundinnen ignorierend fasste Lindsay sich ein Herz und schaute nach, was Warden ihr geschrieben hatte: „Ich liebe dich nicht für das, was du bist, sondern für das, was ich durch dich an meiner Seite bin.“
„Ohhhhhhh!", seufzten ihre Freundinnen unisono.
Lindsay löste sich aus der Erinnerung und sah sich noch einmal um. Wie sollte sie in dem Wohnzimmer das Vermächtnis ihres Bruders finden oder richtiger: Die Tasche, in der es sich befand. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Der Umschnall-Dildo brachte sie zum Grinsen. Da würde Pat sich noch etwas von Warden anhören dürfen.
Lindsay erhob sich, als ihr einfiel, dass sich die Tasche in einem der zahlreichen Körbe befand, in die sie die unzähligen Geschenke gepackt hatten. Schnell hatte sie die gefunden und entnahm ihr eine Schachtel mit mehreren DVDs, denn ihr verrückter, lieber und toter Bruder hatte mehr als nur seine Hochzeitsrede auf Video festgehalten.
Lindsay atmete bedächtig ein und aus, ehe sie mit zittrigen Fingern die erste DVD aus der Box nahm und in den DVD-Rekorder schob. Sie ging in die Küche, holte eine Packung Taschentücher aus dem Vorratsschrank und kuschelte sich dann auf dem Sofa zusammen. Mit der Fernbedienung schaltete sie den Rekorder an. Sie hatte sich vorgenommen chronologisch vorzugehen, also wählte sie das erste Kapitel an – wohlwissend, dass es vermutlich das sein würde, welches am schmerzhaftesten war. Ihr stockte der Atem, als Phils Gesicht auf dem Bildschirm erschien.
„Hey, Kleines. Das hier ist bestimmt nicht leicht für dich und glaub mir, es ist auch nicht leicht für mich. Wenn du das hier siehst, dann bin ich nämlich tot.“ Ja, dachte sie und biss sich auf die Unterlippe. Er war tot und das seit zehn Jahren. Sie vermisste ihn noch immer so schrecklich. „Ich mache mir Sorgen darum, wie es euch geht und ich hoffe, dass das hier es etwas besser macht – wenn nicht, dann schalte das Video einfach aus, okay?“ Phil zwang sich zu einem traurigen Lächeln. „Ich will ehrlich sein, Ly, ich habe Schiss! Ich meine, ich habe so richtig, richtig krass Schiss. Ich habe keine Angst vor dem Tod an sich, aber davor, was vorher passiert. Vor den Schmerzen und all dem Mist.“ Zu Recht, dachte sie, denn er hatte schreckliche Schmerzen gehabt. Sie hatten ihm Morphium gegeben, damit sie erträglich wurden, doch er war elendig verreckt und er hatte gewusst, dass es so kommen würde. „Ich habe dich wahnsinnig lieb. Dich und Mum und Dad und Stella und auch Gavin … ich will nicht sterben, Ly, und ich weiß, dass ihr auch nicht wollt, dass es passiert.“ Phil war den Tränen nahe, als er fortfuhr: „Aber es ist unausweichlich. Mir ist klar, dass es nicht mehr lange dauert und manchmal bin ich so wütend darüber, denn ich … Scheiße, ich bin viel zu jung, um zu sterben.“ Ja, er war in der Tat viel zu jung gewesen, dachte Lindsay bitter. Sie schluchzte laut auf und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Die Sache ist die, Ly. Ich habe keine Wahl. Es liegt nicht in meiner Hand, aber du, Kleines, du hast eine Wahl. Ich will, dass du dein Leben genießt und zwar in vollen Zügen. Ich will, dass du daran denkst, wie kurz es sein kann und wie schnell es manchmal zu Ende geht, okay? Ich will, dass du das Beste aus deinem Leben machst und egal, was nach dem Tod passiert: Ich liebe dich, Ly.“
Lindsay wischte sich die Tränen von der Wange und schaltete den Rekorder aus. Sie spürte Wardens Hand auf ihrer Schulter. „Hey!“, meinte er mitfühlend und kraulte ihren Nacken sanft, ehe er sich über die Lehne beugte und Lindsay von hinten umarmte.
„Hey, ich dachte du schläfst“, schniefte sie.
„Ich schlafe nicht gut, wenn du nicht da bist, und ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
Seit man versucht hatte, Lindsay zu töten, fiel es Warden noch schwerer, loszulassen. Lindsay drehte sich zu ihm herum, legte eine Hand an seine Wange und küsste ihn. „Brauchst du nicht. Mir geht es gut. Es ist nur … diese Videos. Ich … Gott, das ist so überwältigend ihn zu sehen. Von ihm zu hören und diese Nachrichten aus dem Jenseits zu bekommen. Ich kann es irgendwie noch gar nicht glauben, dass sie wirklich da sind.“
Warden löste sich von ihr, kam um das Sofa herum, setzte sich neben Lindsay und zog sie in seine Arme. Er küsste ihre Stirn und Lindsay kuschelte sich seufzend in seine Arme. „Aber es ist real, weißt du?“ Der Surfer verstummte und suchte nach den richtigen Worten. „Phils Botschaft hat ihren Weg zu dir gefunden. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber sie ist letztendlich angekommen.“
Alle Rechte liegen bei Violet Truelove
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