Samstag, 14. März 2020

Interview Martin / Jaden Quinn B

Und weiter geht es mit dem Interview

Um mich zu sammeln, nippe ich an meinem Kaffee und stelle dann die nächste Frage.
»Erinnern Sie sich, wo Sie geboren wurden?«
Damit erreiche ich endlich eine Reaktion, die ganz von Jack kommt. Er verzieht zwar nur abfällig den Mund, aber immerhin. »In New Jersey. Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich in Camden. Der Wiege der Campbell-Dosensuppe, Produktionsstätte der bahnbrechenden Phonographen der Victor Talking-Machine Company und Füllfederhaltern, die einst auf beinahe jedem Schreibtisch Amerikas lagen. Aber dafür wurde ich ein paar Jahre zu spät geboren. Als ich dort lebte, gab es dort nur Hunger, Gewalt und Drogen.«
Ich schaudere unter dem harten Glanz in seinen Augen. Dann sieht er Martin an und der Anflug eines Lächelns erscheint. Die Veränderung ist atemberaubend, lässt mich blinzeln vor Staunen. Wie attraktiv, fast unschuldig, er mit einem Mal wirkt. Der Moment vergeht binnen Sekunden.
»Heute hingegen«, fährt er fort, »schlafe ich in einem Bett, breiter als das Bad meiner Kindheit. Meine Kleidung ist maßgeschneidert. Ich trage Verantwortung, befehlige Untergebene, die sich mir unterordnen! All das habe ich einzig meinem Vater zu verdanken.«

Während ich erneut von meinem Kaffee trinke, betrachte ich die beiden Männer, die mit mir im Büro sind.
Dr. Owen Martin gehört zu dem Typ Mann, dessen Alter schwer zu schätzen ist. Ich denke, er ist Anfang sechzig. Sein Anzug ist mit Sicherheit maßgeschneidert, denn er sitzt perfekt und verbirgt nicht, dass Martin auf seine Fitness achtet. Weder seine Größe, noch sein Aussehen ist auffällig. Auch sein Gesicht ist eher durchschnittlich. Das ebenfalls dunkle Haar, an den Schläfen von grau durchzogen, ist sorgfältig frisiert.
Würde er mir auf der Straße entgegenkommen, hätte ich ihn schnell wieder vergessen, wäre da nicht seine Ausstrahlung. Autorität und Dominanz umgaben ihn wie ein dicht gewebter Umhang. Selbst mir fällt es schwer, den Blick aus seinen dunklen Augen standzuhalten, dabei bin ich normalerweise nicht leicht einzuschüchtern.
Schnell sehe ich Jack an. Wie sein Adoptivvater trägt er einen maßgeschneiderten Anzug. Er ist kleiner als Martin, knappe 1,80, doch seine Schultern sind wesentlich breiter. Er wirkt kompakt, obwohl nicht ein Gramm Fett an seinem Körper zu finden ist. Sein Haar ist militärisch kurz geschoren, seine Augen grau, wie Wolken an einem stürmischen Tag. Mein Atem stockt, dann zucke ich zusammen. Martins Stimme, dicht an meinem Ohr.
»Wenn Sie damit fertig sind meinen Sohn zu begaffen, als wäre er eine Ware, können wir mit den Fragen fortfahren. Er ist zu exklusiv für Sie, Miss Barby.«
Im Versuch, weiterhin professionell zu wirken, lese ich die nächste Frage vor.
»Haben Sie Narben oder sonstige unveränderliche Merkmale?«
»Möchten Sie nachsehen, Miss Barby?«
Schnell schüttle ich den Kopf. Ich weiß, dass Jacks Körper voller Narben ist. Die meisten stammen von den Disziplinierungen durch seinen Vater. Kein Thema, das ich vertiefen möchte.
Schnell stelle ich die nächste Frage: »Jack, worin liegen, Ihrer Meinung nach, ihre Stärken? Was sind ihre Vorlieben?«
Noch während Jack überlegt, ergreift Martin das Wort.
»Jack ist unerbittlich. Wenn ich ihm einen Auftrag gebe, weiß ich, dass er ihn mit allen Mitteln ausführen wird, egal was es ihn selbst kostet. Das ist eine seltene Gabe. Eine, nach der ich lange suchen musste. Ich weiß, dass ich mit Jack die richtige Wahl getroffen habe. Er ist noch etwas zügellos, manchmal voreilig, und besagte Vorlieben, nach denen sie gefragt haben … nun davon stehen ihm hin und wieder einige im Weg. Welche das sind, werde ich hier nicht ausführen. Aber wenn ich mit ihm fertig bin, wird er unfehlbar sein.«
»Das bringt uns auf die Schwächen und Ängste«, erwidere ich.
Wieder antwortet Owen. »Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Die Dunkelheit oder Spinnen machen mir keine Angst. Ich wäge ab, kalkuliere, und ja hin und wieder bin ich besorgt. Meine Existenz ist abhängig vom Auf und Ab der Kapitalmärkte, von der Schweigsamkeit meiner Mitarbeiter und den Schmiergeldern, die ich zahle. Ein Fehler und alles was ich mir aufgebaut habe, könnte fort sein. Aber das ist der Konjunktiv. Ein einkalkuliertes Risiko in einer weitläufigen komplexen Rechnung, in der eine Variable sich nicht derart auf das Ergebnis auswirken könnte, als dass ich mich fürchten müsste.«

Gleich geht's weiter 😉

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