Samstag, 15. August 2015

Violet Truelove - Indie-Autor-Challenge August 2015



Ich darf Euch wieder eine Indie-Autor-Challenge von Violet Truelove zeigen!



Im Zuge der Indie-Autor-Challenge habe ich eine Geschichte geschrieben, die ich euch nicht vorenthalten möchte, auch wenn sie weder Violet-, noch Ava-typisch ist.

Ich hoffe, sie gefällt euch dennoch. Meine 15 Wörter, die in meine max. 3seitige Geschichte eingebaut werden mussten, bekam ich von Gabriele E. Fleischmann.
Imbissbude
Facebookgruppe
Serien
Holland
Badezimmer
Klodeckel
Eselsohr
Malstifte
Spülmaschine
Stromausfall
Kakerlake
Olivenbaum
Pizzaschneider
Wehen
Beinbruch

„Hals und Beinbruch, Jungs“, murmle ich. Ash betrachtet mich von der Seite her. Er ist ein niedlicher Zweiundzwanzigjähriger – jedenfalls, wenn man seine linke Gesichtshälfte betrachtet. Die rechte … mmh, reden wir lieber nicht drüber. Er war unvorsichtig und nun ist er gezeichnet. Aber hey, was soll ich sagen? Der Junge hat mehr Glück als Verstand und seinen geistigen Stromausfall überlebt.
„Wie machen wir das, Liv?“, fragt Trey und lenkt seine Aufmerksamkeit auf mich, während ich die Imbissbude betrachte. Das altmodische Diner befindet sich in einem zweistöckigen Haus. Unten ist das Restaurant untergebracht, oben vermutlich ein Büro oder Wohnräume, wer weiß.
„Liv?“, spricht mich Trey erneut an. Ich wende ihm meinen Blick zu und wie immer zieht es mir den Boden unter den Füßen weg. Dieser Kerl ist schärfer als jeder Pizzaschneider. Eine echte Sahneschnitte. Wie soll ich mich in seiner Gegenwart bitteschön konzentrieren können? Ihn habe ich damals, als alles begann über eine Facebookgruppe kennengelernt. Die beste Entscheidung meines Lebens mich die drei Blocks zu ihm durchzuschlagen.
„Ja, ich überlege!“, brumme ich und spüre Danells Pranke auf meiner Schulter. Ich schaue zu ihm und lasse mich ein Stück zur Seite führen. Danell schaut aus wie T-Dog aus der Serie The Walking Dead – Ironie pur!!! Wieder einmal bin ich kurz davor hysterisch loszulachen.
„Bist du okay, Liv?“
Bin ich okay? Keine Ahnung! Wie sollte ich, bei all dem Wahnsinn? „Ja!“, erwidere ich knapp. Flüsternd erläutert Danell mir seinen Plan. Ich atme tief durch und nicke zustimmend. Ich weiß, er hat recht. Die Dämmerung bricht bald an und dann sind wir hier nicht mehr sicher.
Wir teilen uns also auf. Danell bekommt Trey und ich den Jungen. Wie jedes Mal, bevor wir fremdes Terrain betreten, lasse ich meine Finger über den Holland & Holland Schriftzug meiner Shotgun gleiten. Ein liebgewonnenes Ritual. Die Waffe ist ein Erbstück, wenn man es so will. Mit ihr habe ich meinen Vater erschossen.
Seit diese Sache ihren Lauf genommen hat, habe ich viel getan, worauf ich nicht stolz bin, doch es gilt zu überleben. Meine Chancen diesbezüglich sind nicht schlecht, denn die Schrotflinte ist zum Glück nicht die einzige Waffe, die ich aus dem Besitz meines Vaters mitgenommen habe. Ich schultere sie und ziehe die Glock, aus dem Beinhalfter. Ich checke ihre Funktionsfähigkeit ein letztes Mal. Die Jungs halten mich für einen Freak, aber auch das gehört zu meinen Ritualen. Nachdem ich sie alle abgespult habe, nicke ich und auf mein gezischtes „Los!“ setzt sich unsere Truppe in Bewegung.
Wir alle haben unsere Waffen gezogen. Schließlich weiß man nie, was einen erwartet und nicht nur mir ist so ziemlich jedes Mittel recht, um am Leben zu bleiben.
Als wir die Tür zum Diner aufmachen, schwappt uns eine Welle süßlichen Verwesungsgeruchs entgegen. Fuck, denke ich und muss an mich halten, nicht zu kotzen. Der Junge verfügt über nicht mal annähernd so viel Selbstdisziplin und entleert seinen Mageninhalt geräuschvoll neben den Eingangsbereich. Doch es hilft nichts, wir müssen da rein. Die erste Leiche finden wir hinter der Theke. Dort liegt ein Kerl mit einer Axt im Schädel. Fliegen und Kakerlaken krabbeln über den Leichnam. Der, soviel steht nach einem kurzen Blick fest, kommt nicht wieder. Da hat jemand ganze Arbeit geleistet. Genau, wie ich bei Dad. Sein Hirn ziert nun die Wände seines Arbeitszimmers und er ist für niemanden mehr eine Gefahr.
Wie besprochen machen der Junge und ich uns auf die Suche nach der Treppe ins obere Stockwerk. Ich gehe vor, denn Ash ist zu unerfahren. Es ist nicht so, dass ich ihm nicht vertraue. Er hat seine Lektion gelernt und ist noch mal mit dem Leben davon gekommen, auch wenn es ihn sein gutes Aussehen gekostet hat. Dennoch will ich kein Risiko eingehen. Meine Sorge ist allerdings überflüssig, denn hier ist alles sauber. Nachdem wir die Räumlichkeiten gesichert haben, verschwindet der Junge im Badezimmer. Ich höre, wie er den Klodeckel hochklappt und zu schiffen beginnt.
Ich fange damit an, die Zimmer systematisch zu durchsuchen. Hier hat eine Familie gelebt. Malstifte und Spielzeug deuten auf Kinder hin. Im Wohnzimmer hängt ein Gemälde an der Wand, das eine italienische Landschaft zeigt – vielleicht die Toskana. Olivenbäume, Zypressen und ein altes Gemäuer. Sehnsüchtig starre ich es an. Wie man hört, blieb Europa verschont – keine Ahnung, ob an den Gerüchten etwas dran ist. Mein Herz will diesen Spekulationen Glauben schenken, mein Verstand sagt, dass es unmöglich ist. Die Epidemie, oder was auch immer es ist, hat sich rasend schnell ausgebreitet.
Auf der Spülmaschine finde ich ein Büchlein. Die Fingerkuppen meiner linken Hand streichen über den ledernen Einband. Ich gebe mir einen Ruck, lege die Glock auf die Arbeitsplatte und nehme das Notizbuch zur Hand. Ich klappe es auf und beginne den, mit einem Eselsohr markierten Eintrag, zu lesen.
Wenn du das hier liest, weißt du, was ich getan habe. Du weißt, wie weit ich gegangen bin, um meine Liebsten zu schützen. Der Mann unten im Dinner war mein Ehemann. Sein Name war Andrew und er war ein Kämpfer. Ein Mensch, der niemals aufgibt – doch manchmal, manchmal muss man kapitulieren. Manchmal kann man nicht gewinnen.
Andy hätte alles daran gesetzt, dass wir überleben und dazu wäre ihm jedes Mittel recht gewesen. Er war ein großartiger Mann und ich habe ihn von ganzem Herzen geliebt, doch wie hätte ich zu lassen können, dass meine Kinder, die ich unter Wehen zur Welt gebracht habe, in dieser Hölle groß werden? Wir sind verdammt! Wir sind zum Scheitern verurteilt. Wir können nicht gewinnen.
Meine Babys haben es nicht gemerkt. Keines von ihnen. Sie mussten keine Angst und keine Schmerzen erdulden. Ich habe sie im Schlaf getötet und sie umzubringen war das Schwerste, was ich jemals in meinem Leben getan habe. Ich werde es nun auch für mich zu Ende bringen, denn wie ich sagte: Diese Welt, in der wir nun leben, ist nicht mehr lebenswert. Es ist die Hölle auf Erden.
Meine Tränen tropfen auf diese letzten Zeilen. Ich klappe das Büchlein zu, lege es beiseite und verharre einen Moment lang bewegungslos. Ich lausche dem Tick, Tick, Tick der Küchenuhr, greife nach der Glock, hebe sie hoch und setze sie unter meinem Kinn an. Tick, Tick, Tick … BOOM!

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